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Quelle: LÄK Baden-Württemberg

Fortbildungspflicht nach dem neuen SGB V

Das GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) vom 14.11.2003 hat Vertragsärztinnen/-ärzten und Vertragspsychotherapeutinnen/-therapeuten, ermächtigten Ärzten sowie angestellten Ärzten in den neuen medizinischen Versorgungszentren (MVZ) (im Folgenden: "betroffene Ärzte" genannt) ab dem 1.1.2004 nicht nur neue Versorgungsformen und eine schwer handhabbare Kassengebühr beschert, sondern erstmalig auch eine Nachweispflicht der immer schon erforderlichen Fortbildung eingeführt, zum Teil mit rigorosen Rechtsfolgen. Damit aber nicht genug: Der nur für die Sozialversicherung zuständige Bundesgesetzgeber belässt es nicht bei derartigen Regelungen für die betroffenen Ärzte, sondern hat auch in der Krankenhausbehandlung sog. Mindestanforderungen an die Strukturqualität aufgestellt, die Fortbildungspflichten von Fachärzten im Krankenhaus in einem Abstand von fünf Jahren einschließen. Dieser Beitrag gibt einen ersten Überblick über § 95 d und § 137 Abs. 1 Nr. 2 SGB V i.d.F. des GMG. Darüber hinaus informiert er über die Aktivitäten der Bundesärztekammer und der Landesärztekammer Baden-Württemberg mit dem Ziel, eine an diese neuen Bestimmungen angepasste Ärztekammerfortbildung zu etablieren.

I. Fortbildungspflicht

§ 95 d SGB V verpflichtet jeden betroffenen Arzt bereits ab dem 1.1.2004, "sich in dem Umfang fachlich fortzubilden, wie es zur Erhaltung und Fortentwicklung der zu seiner Berufsausübung in der vertragsärztlichen (und vertragspsychotherapeutischen) Versorgung erforderlichen Fachkenntnisse notwendig ist." Die Fortbildungsinhalte müssen dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse auf dem Gebiet der Medizin und Psychotherapie entsprechen. Jeder betroffene Arzt hat alle fünf Jahre gegenüber der für ihn zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung den Nachweis zu erbringen, dass er in dem zurückliegenden Fünf-Jahres-Zeitraum seiner Fortbildungspflicht nachgekommen ist. Betroffene Ärzte, die am 30.6.2004 bereits zugelassen/ermächtigt sind, haben den Nachweis erstmals bis zum 30.6.2009 zu erbringen. Die KBV regelt "im Einvernehmen mit den zuständigen Arbeitsgemeinschaften der Kammern auf Bundesebene" den angemessenen Umfang der im Fünf-Jahres-Zeitraum notwendigen Fortbildung. Sie regelt auch das Verfahren des Fortbildungsnachweises (Abs. 6). Über diese Zuständigkeitsregelung des Bundesgesetzgebers spielen die Bundesärztekammer und die Bundespsychotherapeutenkammer nunmehr in der vertragsärztlichen und -psychotherapeutischen Fortbildung eine maßgebliche Rolle. Ohne die für das Arztrecht und damit auch für die Fortbildung zuständigen berufsständischen Kammern darf die im Recht der Krankenversicherung verankerte KBV den Fortbildungsumfang nicht regeln.

Für den Fortbildungsnachweis gilt, dass die betroffenen Ärzte die von ihnen absolvierte Fortbildung durch Zertifikate ihrer berufsständischen Kammern nachweisen können. Dies ist nur ein Angebot des Bundesgesetzgebers, das in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise in die Zuständigkeiten der Bundesländer für das Arztrecht eingreift. Die Prüfung der Fortbildungsnachweise obliegt einzig und allein den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen). Sie haben auch die Rechtsfolgen gegenüber den Vertragsärzten und -psychotherapeuten und den ermächtigten Ärzten zu exekutieren, auf die noch unten näher eingegangen wird. Dass es sich bei dem Fortbildungsnachweis durch Kammerzertifikate nur um eine Kann-Bestimmung handelt, folgt auch aus § 95 d Abs. 2 Satz 2 SGB V. Jeder betroffene Arzt kann auch andere Fortbildungszertifikate vorlegen. Sie müssen dann allerdings den Kriterien entsprechen, die die Bundesärztekammer und die Bundespsychotherapeutenkammer aufgestellt haben. Darüber hinaus kann die Fortbildung durch "sonstige Nachweise" nachgewiesen werden. Für die Anerkennung dieser Nachweise und das Verfahren ist eigentlich nur die KBV zuständig (§ 95 d Abs. 6). Sie hat insbesondere festzulegen, in welchen Fällen die betroffenen Ärzte bereits vor Ablauf des Fünf-Jahres-Zeitraums Anspruch auf eine schriftliche Anerkennung abgeleisteter Fortbildungen haben. Was die KBV regelt, ist für die KVen der Länder verbindlich.

Die KBV und die Bundesärztekammer haben sich bereits darüber verständigt, dass die Ärztekammern, die seit jeher für die Fortbildung der Ärztinnen und Ärzte in Deutschland zuständig sind, auch im Rahmen des Verfahrens über den Fortbildungsnachweis ein Mitspracherecht erhalten. In der Bundesärztekammer wird daher bereits jetzt an einer Musterfortbildungsordnung gearbeitet, die dann im Stil der Musterberufsordnung und der Musterweiterbildungsordnung den Ärztekammern in den Bundesländern zur dringenden Übernahme empfohlen wird.

Über die Fortbildungspflicht für die betroffenen Ärzte hinaus bestimmt § 137 Abs. 1 Nr. 2 SGB V, dass der gemeinsame Bundesausschuss, ein neuer rechtsfähiger Ausschuss von Mitgliedern der KBV, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und den Spitzenverbänden der Krankenkassen, "Kriterien für die indikationsbezogene Notwendigkeit und Qualität der im Rahmen der Krankenhausbehandlung durchgeführten diagnostischen und therapeutischen Leistungen, insbesondere aufwändiger medizintechnischer Leistungen, [als Maßnahmen der Qualitätssicherung] beschließt". Dabei hat er den Verband der Privaten Krankenversicherung, die Bundesärztekammer und die Berufsorganisationen der Krankenpflegeberufe einzubeziehen. Wichtig ist, dass der Bundesgesetzgeber für angestellte Fachärztinnen und Fachärzte im Krankenhaus mit den genannten Organisationen "Mindestanforderungen an die Strukturqualität, einschließlich im Abstand von fünf Jahren zu erfüllender Fortbildungspflichten der Fachärzte" festzulegen hat. In der Gesetzesbegründung beeilt sich der Gesetzgeber sodann darzulegen, dass es sich bei diesen Anforderungen zur Erfüllung der Fortbildungspflichten der im Krankenhaus tätigen Fachärzte "nicht um die Vorgabe von Fortbildungsinhalten für die jeweiligen Fachgebiete [handelt]. Diese ergeben sich weiterhin aus den berufsrechtlichen Vorgaben. Die Vereinbarungen beinhalten insbesondere Vorgaben zum Nachweisverfahren der Fortbildungsverpflichtungen." Damit soll auch die Facharztqualifikation der im Krankenhaus tätigen Fachärzte "stets dem aktuellen Stand des medizinischen Wissens [...] entsprechen".

Vergleicht man den neuen Gesetzestext mit der Gesetzesbegründung und misst man den Bundesgesetzgeber an dem, was er auch sonst schon unter dem Begriff "Strukturqualität" verstanden hat, wird deutlich, dass es ihm hier - anders als bei den Begriffen "Prozessqualität" und "Ergebnisqualität" - auch um "besondere Kenntnisse und Erfahrungen" geht. Denn der Gesetzgeber hat mit dem 2. GKV-NOG, in Kraft getreten am 1.7.1997 - soweit ersichtlich -, erstmals den Begriff "Strukturqualität" in das 5. Sozialgesetzbuch eingeführt. Er selbst versteht hierunter besondere Kenntnisse und Erfahrungen (Fachkundenachweis), eine besondere Praxisausstattung und weitere Anforderungen (§ 135 Abs. 2 SGB V). Dies bedeutet, dass die Mindestanforderungen an die Strukturqualität bei der Krankenhausbehandlung mit den zu erfüllenden Fortbildungspflichten von dort angestellten Fachärzten nicht, wie die Begründung zu § 137 SGB V Glauben machen soll, nur Vorgaben zum Nachweisverfahren der Fortbildungspflichten darstellen. Im Gegenteil! Der gemeinsame Bundesausschuss könnte sich von Gesetzes wegen darauf berufen, dass er nach dem Wortlaut der neuen Bestimmung auch konkrete Vorgaben zu Fortbildungsinhalten machen darf. Dies ist aber eindeutig ein Eingriff in die Gesetzgebungskompetenz der Bundesländer zum Arztrecht. Es ist daher zu hoffen, dass der Gemeinsame Bundesausschuss sich in enger Abstimmung mit der KBV tatsächlich auf Vorgaben zum Nachweisverfahren über die Fortbildungspflicht von Krankenhausärzten beschränkt und den Ärzte- und Psychotherapeutenkammern die Entscheidung über die Fortbildungsinhalte überlässt.

Wichtig ist, dass der Bundesgesetzgeber, der nur zuständig ist für Regelungen in der gesetzlichen Krankenversicherung, Fortbildungspflichten nur für die betroffenen Ärzte in der vertragsärztlichen Versorgung sowie für Fachärzte im Krankenhaus neu eingeführt hat. Das bedeutet, dass es auch künftig für Assistenzärzte im Krankenhaus, Ärzte in Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, Ärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst etc. keine Fortbildungspflicht gibt, auf die der Bundesgesetzgeber Einfluss nimmt. Dieser Bereich bleibt also die klassische Domäne der Bundesärztekammer und der Ärztekammern der Länder. Insgesamt kommt also der Musterfortbildungsordnung der Bundesärztekammer und den Fortbildungsordnungen der Landesärztekammern eine besondere Bedeutung zu.

II. Fortbildungsordnung der Landesärztekammer Baden-Württemberg

Der Vorstand der Landesärztekammer Baden-Württemberg hat schon im Oktober des letzten Jahres eine Arbeitsgruppe mit der Erarbeitung einer Fortbildungsordnung im Sinne einer Satzung beauftragt, um einen nahtlosen Übergang vom Modellprojekt "Freiwillige Fortbildungszertifizierung" der Landesärztekammer zur gesetzlichen Fortbildung nach dem SGB V sicherzustellen. Dabei wird in die Fortbildungsordnung die Pflicht aus § 4 der Berufsordnung, sich in dem Umfang beruflich fortzubilden, wie es zur Erhaltung und Entwicklung der zur ärztlichen Berufsausübung erforderlichen Fachkenntnisse notwendig ist, übernommen. Es bleibt außerdem, weil die Landesärztekammer auch für die Fortbildung von Kammermitgliedern zuständig ist, die keine niedergelassenen Vertragsärzte und keine angestellten Fachärzte im Krankenhaus sind, bei dem freiwilligen Angebot für alle Kammermitglieder, Fortbildungspunkte über die Landesärztekammer Baden-Württemberg zu erwerben. Wenn eine bestimmte Anzahl von Fortbildungspunkten, nämlich 250 in höchstens fünf Jahren, angesammelt wurden, erhält der Arzt auf Antrag von der Landesärztekammer einmalig ein elektronisch erstelltes Fortbildungszertifikat. Für die Ärzte in Baden-Württemberg wird es zu leichten Änderungen kommen, da dem bisherigen Modellprojekt noch die Bewertungskriterien vom 14.9.00 der Bundesärztekammer zu Grunde liegen. Neu ist die Aufgliederung in jetzt 7 Fortbildungskategorien anstatt bislang in 4. Für die Anerkennung als solche spielt dies jedoch keine Rolle, weil es sich nur um eine strukturelle Aufspreizung der bisherigen Kategorien handelt. Allerdings gibt es jetzt Begrenzungen in einzelnen Kategorien. So werden z. B. in Kategorie B mehrtägige Kongresse im In- und Ausland in Zukunft nur noch mit maximal 100 Punkten in fünf Jahren anerkannt werden. Auch die erforderliche Punktzahl pro Jahr ändert sich von derzeit 40 auf 50 Punkte.

Nach Auffassung der Arbeitsgruppe "Fortbildungssatzung" sollen Fortbildungspunkte von anderen Ärztekammern in der Bundesrepublik Deutschland angerechnet werden, wenn der Veranstalter die Veranstaltung von der Ärztekammer hat anerkennen lassen. Ähnliches soll für die ärztliche Fortbildung außerhalb der Bundesrepublik Deutschland gelten. Hier werden Fortbildungspunkte angerechnet, wenn eine Gleichwertigkeit mit unseren Bewertungskriterien festzustellen ist. Für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen und für ärztliche Psychotherapeuten sollen auch Fortbildungspunkte angerechnet werden, die von Zahnärzte- oder Psychotherapeutenkammern vergeben worden sind. Ganz wichtig ist, dass die Landesärztekammer Baden-Württemberg selbstverständlich Fortbildungspunkte, die auf der Grundlage unseres Modellprojektes "Freiwillige Fortbildungszertifizierung" ab dem 1.7.2004 bis zum 31.12.2004, dem Auslaufen unseres Modellprojektes, auf die Pflichtfortbildung für die betroffenen Ärzte und die Fachärzte im Krankenhaus anrechnen wird. Ärzte in Baden-Württemberg werden daher nicht benachteiligt, wenn die neue Fortbildungsordnung der Landesärztekammer Baden-Württemberg im zweiten Halbjahr 2004 in Kraft tritt und der Modellversuch noch bis zum Ende des Jahres 2004 läuft.

III. Rechtsfolgen

Im Zusammenhang mit der Fortbildungspflicht für die betroffenen Ärzte hat der Bundesgesetzgeber stringente Rechtsfolgen für den Fall festgelegt, dass sie ihrer Fortbildungspflicht nicht nachkommen. Erbringen die betroffenen Ärzte gegenüber der KV den Fortbildungsnachweis nicht oder nicht vollständig, ist die KV verpflichtet, das an sie zu zahlende Honorar für die ersten vier Quartale ab dem 1.7.2009, also vom 1.7.2009 bis zum 30.6.2010, um 10 % zu kürzen, ab dem darauf folgenden Quartal, also ab dem 3. Quartal 2010 um 25 %. Im MVZ findet eine Quotierung anhand der Zahl der angestellten Ärzte nicht statt, denn das MVZ hat auch arbeitsrechtliche Möglichkeiten, die Fortbildungspflicht der angestellten Ärzte durchzusetzen. Die betroffenen Ärzte können die für den Fünf-Jahres-Zeitraum festgelegte Fortbildung innerhalb von zwei Jahren ganz oder teilweise nachholen. Die nachgeholte Fortbildung wird allerdings auf den folgenden Fünf-Jahres-Zeitraum nicht angerechnet und die Honorarkürzung endet erst nach dem Quartal, in dem die betroffenen Ärzte den vollständigen Fortbildungsnachweis erbracht haben. Erbringen sie den Fortbildungsnachweis nicht spätestens zwei Jahre nach Ablauf des Fünf-Jahres-Zeitraums, also erstmalig bis zum 30.6.2011, soll die KV für die zugelassenen und ermächtigten Ärzte unverzüglich gegenüber dem Zulassungsausschuss einen Antrag auf Entziehung der Zulassung/ Ermächtigung stellen. Für den angestellten Arzt im MVZ soll die KV dann einen Antrag auf Widerruf der Genehmigung der Anstellung stellen.

Autoren:
Dr. med. K. Baier, Fortbildungsbeauftragter der Landesärztekammer Baden-Württemberg
Prof. Dr. iur. H. Kamps, Geschäftsführer der Bezirksärztekammer Südwürttemberg
M. Felsenstein, Leiter der Abteilung Fortbildung und Qualitätssicherung der Landesärztekammer Baden-Württemberg

Stand: 22.12.2003